Vor 20 Jahren kehrte der schwedische Premium-Hersteller mit einem Kombi auf die Rennstrecken Europas zurück. Anstelle von stromlinienförmigen Limousinen starteten im April 1994 zwei Volvo 850 Kombis in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft (BTCC) und leiteten eine erfolgreiche Ära im Tourenwagensport für Volvo ein, die ihren Höhepunkt 1998 mit einem Meistertitel fand.
Mit dem Start im südenglischen Thruxton, dem Auftaktrennen der BTCC 1994, kehrte Volvo nach mehrjähriger Abstinenz auf die internationalen Rennstrecken zurück. Dem Engagement in der prestigeträchtigen Meisterschaft mit seriennahen Fahrzeugen gemeinsam mit dem Team Tom Walkinshaw Racing (TWR) gingen hohe Investitionen voraus. Mit der ungewöhnlichen Idee mit einem Kombi zu starten, wollte Volvo beweisen, dass Praktikabilität und hohe Alltagstauglichkeit mit Fahrspaß und Sportlichkeit einhergehen können.
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Und der Erfolg gab den Schweden recht: Die Kombis sorgten für hohe Aufmerksamkeit und verbesserten das Image von Volvo vor allem in Großbritannien, auch wenn zunächst nicht alle überzeugt waren. „Als ich zur Weihnachtszeit 1993 bei Volvo und TWR unterschrieb, wusste ich noch nichts von den Kombi-Plänen. Hätte ich es gewusst, hätte ich möglicherweise gezögert“, erinnert sich Rickard Rydell, der einen der beiden Volvo 850 Kombis lenkte. Der damals 26-jährige Schwede brachte trotz seines jungen Alters einschlägige Erfahrungen vom Kartfahren sowie aus Formel 3000 und Formel 3 mit. Mit dem 37-jährigen Niederländer Jan Lammers hatte er zudem einen motorsporterprobten Teamkollegen, der schon in verschiedenen Rennserien, darunter der Formel 1, unterwegs war.
Bessere Aerodynamik als Limousine
Während sich Volvo um technischen Support, Marketing und PR kümmerte, zeichnete TWR für die Entwicklung der Rennwagen verantwortlich. In den 1980er Jahren hatte das Team zu den Hauptkonkurrenten des schwedischen Herstellers gezählt, als sich der als Fliegender Ziegelstein („The Flying Brick“) bekannte Volvo 240 Turbo und der Rover SD1 in der Europäischen Tourenwagen-Meisterschaft harte Duelle lieferten. Nicht einmal ein Jahrzehnt später unterschrieb TWR jedoch einen Drei-Jahres-Vertrag mit Volvo.
Die Entscheidung, mit einem Kombi zu starten, wurde bereits Monate vor dem Saisonauftakt getroffen, aber lange geheim gehalten. Als die Nachricht die Runde machte, dachten viele zunächst an einen Scherz. Schließlich ist ein großer Kombi eigentlich nicht der perfekte Rennwagen: Das im Vergleich zu einer Limousine höhere Gewicht auf der Hinterachse und der höhere Schwerpunkt erschweren die Kurvenhatz. „Aber die Aerodynamik des Kombis war etwas besser als die der Limousine“, erläutert Rydell. Der entscheidende Faktor war letztendlich die höhere Aufmerksamkeit.
Gemäß den FIA Class 2 Regularien mussten die Rennwagen auf einem Serienfahrzeug basieren. Die Karosserie durfte nicht verändert werden. Um möglichst spannende und enge Rennen zu haben, durften die Motoren jedoch maximal zwei Liter Hubraum, höchstens 8.500 Umdrehungen in der Spitze und ein Mindestgewicht von 950 Kilogramm für frontgetriebene Autos haben. Eine Aufladung war nicht erlaubt.
Basierend auf dem serienmäßigen 2,3-Liter-Fünfzylinder des Volvo 850 Turbo mit 165 kW (225 PS), entwickelten Volvo und TWR ein leistungsstarkes Renntriebwerk: zwar ohne Turbo und mit nur zwei Liter Hubraum, dafür aber mit rund 213 kW (290 PS). Die Kraftübertragung übernahm ein sequenzielles Sechs-Gang-Schaltgetriebe anstelle der normalen Fünf-Gang-Schaltung. Als erstes Team setzte Volvo zudem einen Katalysator ein, der später zur Pflicht für Fahrzeuge dieser Klasse werden sollte.
Debütsaison als Lehrjahr
„Vor dem Start in Thruxton am 4. April konnten wir das Fahrzeug nicht auf der Rennstrecke testen. Jan Lammers und ich konnten nur ein paar hundert Meter vor dem Eingang der TWR-Entwicklungswerkstatt fahren“, erklärt Rydell die erschwerten Bedingungen. In der Debütsaison wollten die Fahrer und das Team deshalb vor allem Erfahrung sammeln, niemand erwartete ernsthaft Spitzenplatzierungen. Dadurch konnten sie sich auch auf ihren gelungenen PR-Coup konzentrieren, mit einem Kombi zu starten.
„Die Volvo 850 Kombis waren mit Abstand die größten Fahrzeuge in der BTCC-Serie“, erinnert sich Rydell. „Unsere Konkurrenten, die mit ihrer Teilnahme vor allem ihr sportliches Image aufpolieren wollten, waren nicht gerade glücklich, sich mit einem Kombi zu duellieren. Es gab ein paar Sticheleien von den anderen Fahrern – aber das war kein Problem. Um sie zu ärgern, waren wir in einer Paraderunde mal mit einem ausgestopften Collie im Kofferraum unterwegs.“
Nach 21 Läufen endete die Saison am 21. September 1994 im Donington Park. Aus Sicht der Zuschauer konnte Volvo auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken – auch wenn der Hersteller in der Gesamtwertung nur auf dem 14. Platz landete. „Wir haben im Laufe der Saison viel gelernt und das Fahrzeug kontinuierlich weiterentwickelt. Unser bestes Ergebnis war zwar nur ein fünfter Platz im Oulton Park, doch über kein anderes Team wurde so viel geschrieben wie über uns“, so Rydell.
Die Rückkehr 1994 leitete zudem eine erfolgreiche Motorsport-Ära für Volvo ein: In den folgenden beiden Jahren landete Rickard Rydell jeweils auf Platz drei der Fahrerwertung. Allerdings war er nur in seiner Debütsaison im Volvo 850 Kombi unterwegs und sattelte in den Folgejahren auf die Limousine um. Ab 1995 waren nämlich zusätzliche Spoiler am Heck erlaubt: Während diese sich auf den natürlichen Abtrieb eines Kombis nicht auswirkten, brachten sie zahlreiche Vorteile für Limousinen. Nach dem Volvo 850 eroberte 1997 der Volvo S40 den Motorsport-Zirkus; Rydell landete in der Premierensaison auf Platz 4, ein Jahr später gewann er damit sogar die Meisterschaft – Volvo war erfolgreich auf die Rennstrecke zurückgekehrt.